Gennadij Pawlowitsch Jerkow (1923 – ?)
Gennadij Pawlowitsch Jerkow wurde am 22. oder 23. Februar 1923 – es finden sich keine eindeutigen Angaben – in der Stadt Ischewsk im heutigen Russland geboren. Er wuchs in der Kleinstadt Mikojan-Schachar auf und gehörte der orthodoxen Kirche an. Gennadij begann ein Studium und war ab Dezember 1941 zunächst Soldat und später Leutnant der Roten Armee.
Kriegsgefangenschaft im STALAG IX A Ziegenhain
Am 12. Juli 1943 nahmen Wehrmachtssoldaten Gennadij Jerkow gefangen. Er wurde vorübergehend im Durchgangslager 241 bei Simferopol in der heutigen Ukraine interniert. Im Herbst 1943 traf er nach einem langen Transport, bei dem viele sowjetische Kriegsgefangene starben, im STALAG IX A Ziegenhain ein. Gennadij Jerkow wurde dort wie alle Kriegsgefangenen registriert und anschließend "desinfiziert".
Rassistische Unterscheidung im Kriegsgefangenenlager
Während des Zweiten Weltkriegs waren mehr als 12 000 sowjetische Soldaten im STALAG IX A Ziegenhain inhaftiert. Die rassistische Ideologie der NationalsozialistInnen sprach den Menschen aus Osteuropa – und somit auch den sowjetischen Kriegsgefangenen – ihre menschliche Würde ab. Dadurch erfuhren die sowjetischen Kriegsgefangenen eine erheblich schlechtere Unterbringung und Behandlung in der Haft als Kriegsgefangene anderer Nationen. Das in der Genfer Konvention festgeschriebene Recht, nach dem Kriegsgefangene weder misshandelt noch zu schwerer Arbeit in der Rüstungsproduktion eingesetzt werden durften, wurde sowjetischen Kriegsgefangenen nicht gewährt. Darüber hinaus war die Verpflegung der sowjetischen Kriegsgefangenen so unzureichend, dass viele an den Folgen der Entkräftung durch Zwangsarbeit und Unterernährung noch im Lager starben. Erst als sie ab 1942 dringend in der Kriegswirtschaft gebraucht wurden, verbesserte sich ihre Verpflegung etwas. Gennadij Pawlowitsch Jerkow wurde, wie die anderen sowjetischen Kriegsgefangenen, in einem eigenen Teil des Lagers, dem sogenannten "Russenlager" untergebracht. Auch hier war die Verpflegung unzureichend und viele der Inhaftierten starben an Unterernährung und Entkräftung. Gennadij Jerkow jedoch überlebte diese schwere Phase seiner Gefangenschaft.
Arbeitseinsatz in den Behringwerken
Gennadij Jerkows Aufenthalt im STALAG IX A Ziegenhain war kurz. Bereits am 17. Oktober 1943 wurde er dem Arbeitskommando 2614 in dem heute zu Marburg gehörenden Ort Marbach übergeben. Er arbeitete vermutlich als Pferdepfleger in den dort ansässigen Behringwerken. Die Behringwerke entwickelten und produzierten Medikamente, forschten zu deren Wirkung und nahmen dafür auch Menschenversuche an KZ-Häftlingen in Buchenwald vor.
Die sowjetischen Kriegsgefangenen sahen sich im Alltag einer Reihe von Schikanen und willkürlichen Misshandlungen ausgesetzt. Ihre Baracken wurden zum Beispiel regelmäßig durchsucht. Als es wieder einmal eine Razzia gab, wurde Gennadij Jerkow von der Geheimen Staatspolizei Kassel (Gestapo) verdächtigt, im Widerstand aktiv zu sein und verhaftet.
Überstellung ins Konzentrationslager Buchenwald
Am 8. Februar 1944 wurde Gennadij Jerkow mit 37 anderen sowjetischen Kriegsgefangenen aus den Behringwerken in das Konzentrationslager Buchenwald deportiert. Auf der sogenannten Häftlingspersonalkarte, die dort für ihn erstellt wurde, wird er als "Politischer Russe und ehemaliger Kriegsgefangener" geführt. Darüber hinaus finden sich nur spärliche Informationen über ihn.
Flucht aus dem Außenlager
Ab dem 11. März 1944 musste Gennadij Jerkow Zwangsarbeit im Gustloff-Werk II leisten, einer Waffenfabrik, die sich in der Nähe des Konzentrationslagers Buchenwald befand. Bereits am 3. Juli wurde er in das Außenlager Düsseldorf-Kalkum verlegt. Am 21. Juli 1944 wurde er dem Außenkommando "Berta" in Düsseldorf-Derendorf überstellt, wo man Kriegsgefangene oft zur Bombenräumung und Bombenentschärfung einsetzte. Die Arbeit war lebensgefährlich, die Verpflegung und medizinische Versorgung katastrophal. Am 19. August 1944 gelang Gennadij Pawlowitsch Jerkow die Flucht vom Außenkommando "Berta" und zwei Tage später wurde er als "flüchtig" gemeldet. Ab diesem Zeitpunkt verliert sich seine Spur.