Authentische Orte?

Lern- und Erinnerungsorte zum Thema NS-Zwangsarbeit befinden sich an unterschiedlichen historischen Orten: Manche an ehemaligen Lagerstandorten, andere an ehemaligen Haftstätten, wiederum andere an ehemaligen Verwaltungs- oder Täterorten. Keiner der Orte ist jedoch noch so, wie er zur Zeit des Nationalsozialismus war. An jedem hat eine Mischung aus Zufällen, historischen Besonderheiten, gesellschaftlichen Auseinandersetzungen und (erinnerungs-)politischen Entscheidungen dazu geführt, dass er heute so aussieht wie er aussieht. Geschichte lässt sich an diesen Orten deswegen weder "erleben" noch "erspüren". Stattdessen können sich dort Spuren nationalsozialistischer Verfolgung finden, die erschlossen, verstanden und eingeordnet werden müssen. Ausstellungen, geführte Rundgänge oder Workshops können bei der Einordnung helfen.

 

Emotionen

Der Besuch eines Lern- und Erinnerungsortes zur NS-Zwangsarbeit kann Emotionen hervorrufen – denn es sind Orte, an denen häufig Verbrechen stattgefunden haben. Diese Emotionen sollen Raum finden. Es ist in Ordnung, wenn einzelne Personen Teilbereiche des Lern- und Erinnerungsortes nicht besuchen wollen oder eine Pause brauchen. Genauso in Ordnung ist es, wenn Personen nicht emotional berührt sind oder scheinen. Es gibt kein "richtiges" Verhalten an diesen Orten. Pädagogische und emotionale Prozesse sind komplex und langwierig. Ein Besuch in einem Lern- und Erinnerungsort kann einen Anstoß zur weiteren Auseinandersetzung mit dem Thema geben und vielleicht erst viel später Wirkung zeigen.  

 

Nicht zu viel wollen

Überfrachten Sie den Besuch des Lern- und Erinnerungsortes nicht mit Erwartungen daran, was dort gelernt oder vermittelt werden kann. Erwarten Sie sich von einem Besuch keine "Läuterung" von Positionen, die Sie als problematisch wahrnehmen. 

 

Außerschulischer Lernort

Die Schüler:innen sollen ihren Besuch möglichst selbstbestimmt und interessengeleitet gestalten können. Im Mittelpunkt des Besuchs sollen sie und ihre Beschäftigung mit dem Ort und seiner Geschichte stehen. Je weniger Erwartungen Sie kommunizieren, desto freier können sie sich den Ort erschließen. Vermeiden Sie, die Schüler:innen über den Besuch abzufragen oder Noten zu vergeben. Menschen kommen mit sehr unterschiedlichem Vorwissen an Lern- und Erinnerungsorte. Gerade vermeintlich von Unwissen geprägte Fragen zwingen oft zur Präzisierung oder eröffnen unerwartetete Fragestellungen. Es gibt deswegen keine "dummen" Fragen. 

 

Positionierung

Die Perspektiven der Menschen, die diese Orte besuchen, unterscheiden sich. Manche der Schüler:innen können Rassismuserfahrung oder familiengeschichtliche Bezüge zu den Orten und Themen haben, die sich von den Perspektiven der Mehrheitsgesellschaft oder von Täter:innen-Nachkommen unterscheiden. Seien Sie sich dessen bewusst, ohne dass Sie deswegen einzelne Personen als Vertreter:innen einer Gruppe ansprechen. 

Die Geschichte der Orte bedingt, dass sie keine "neutralen" Orte sein können. Historisch-politische Bildung an Lern- und Erinnerungsorten stellt sich immer klar gegen Rassismen, Antisemitismus und andere Formen von Diskriminierung und an die Seite derjenigen, die davon negativ betroffen sind. 

 

Ihre Rolle

Der Großteil der Bildungs- und Beziehungsarbeit während Ihres Besuchs findet zwischen Schüler:innen und den Referent:innen statt. Sie können im Hintergrund bleiben. Die Guides an den Erinnerungsorten sind vor Ort die Expert:innen und verfügen über viel Erfahrung.

 

Der Rahmen

Planen Sie genügend Zeit ein. Je länger Sie Zeit haben, desto besser. Die meisten Lernorte bieten nicht nur Überblicksrundgänge an, sondern auch Vertiefungsworkshops oder mehrtägige Projekte. Die Erfahrung zeigt, dass die längeren Formate von allen als gewinnbringender wahrgenommen werden. 

Wenn Sie es ermöglichen können, planen Sie je eine Stunde zur Vor- und Nachbereitung ein. Hinweise zur Gestaltung dieser Stunden finden Sie auf dem Bildungsportal NS-Zwangsarbeit. In jedem Fall sollten Sie den Schüler:innen vorab frühzeitig transparent machen, welchen Ort sie besuchen und um welches Thema es dabei geht, damit niemand davon überrascht und überrumpelt wird. 

Sprechen Sie sich im Vorfeld mit dem Erinnerungsort ab. Der/die Referentin kann sich so besser vorbereiten und das Programm für Sie anpassen. 

 

Anknüpfungspunkte des Themas NS-Zwangsarbeit im Schulunterricht 

Zwangsarbeit stellte einen zentralen Verbrechenskomplex des nationalsozialistischen Systems dar. Anhand des Themas NS-Zwangsarbeit lassen sich zahlreiche Charakteristika des NS-Regimes besprechen.

Diese sind beispielsweise 

  • die radikal rassistische Struktur der NS-Gesellschaft (Ausgrenzung, "Volksgemeinschaft", Verfolgung)
  • Verlauf und Charakteristika des Zweiten Weltkriegs 
  • NS-Geschichte als Globalgeschichte 
  • Umgang mit NS-Geschichte nach 1945 in Ost- und Westdeutschland: (Nicht-)Aufarbeitung (juristisch, wissenschaftlich, gesellschaftlich), Fragen der Entschädigung, etc.
  • Erinnerungskultur

Darüber hinaus lässt sich NS-Zwangsarbeit einordnen in folgende Themenkomplexe: 

  • Geschichte des Rassismus
  • Geschichte der Arbeitsmigration
  • Globale Arbeitsverteilung 
  • Faire Arbeit 
  • Wirtschaftsgeschichte
  • .....
  • ethische Fragen von Schuld und Verantwortung

 

Die Didaktischen Hinweise stehen Ihnen hier als PDF zum Download zur Verfügung.