Otto Rosenberg (1927-2001)
Der deutsche Sinto Otto Rosenberg wurde 1927 in Ostpreußen im heutigen Kaliningrad geboren und wuchs bei seiner Großmutter in Berlin auf. In seiner Autobiografie "Das Brennglas" erinnert sich Rosenberg an eine Kindheit, die von familiärem Zusammenhalt und sozialer Sicherheit geprägt war. Für Otto Rosenberg waren Sinti:zze ganz selbstverständlich in das Berliner Stadtleben integriert. Obwohl er schon während seiner Schulzeit Rassismus erlebte, bedeutete der Nationalsozialismus für ihn einen radikalen Bruch.
Rassistische Zwangsinternierung
Im Alter von neun Jahren verhafteten die Nationalsozialisten Otto Rosenberg mit seiner Familie und brachten sie nach Marzahn in ein Lager, das sie beschönigend als "Rastplatz" bezeichneten. Die Zwangsinternierung der Berliner Sinti:zze und Rom:nja war von den NS-Behörden schon seit längerem geplant. Die Olympischen Spiele im Sommer 1936 boten ihnen einen Vorwand, Sinti:zze, Rom:nja und andere als "Zigeuner" diffamierte Menschen in einem zentralen Lager außerhalb Berlins zu internieren. Solche Zwangsinternierungen fanden in vielen deutschen Städten statt.
Im Zwangslager Marzahn gab es weder Strom- noch Wasserversorgung: Otto Rosenberg erinnert sich in seinen Memoiren, dass Kohle und Lebensmittel zu Fuß aus dem Dorf Marzahn geholt werden mussten. Kinder und Jugendliche konnten keine reguläre Schule mehr besuchen. Der Lageralltag war geprägt von Fremdbestimmung, Kontrolle und Bestrafung durch die Wachmannschaften.
Die im Zwangslager Marzahn inhaftierten Sinti:zze und Rom:nja wurden von VertreterInnen der sogenannten "Rassenforschung" erfasst. Mit pseudowissenschaftlichen Gutachten wurden sie von der "Rassenhygienischen Forschungsstelle" (RHF), einem Institut des Reichsgesundheitsamts, rassistisch definiert und klassifiziert. Die RHF war damit beauftragt, die vermeintliche Kriminalität, die Sinti:zze und Rom:nja stereotyp unterstellt wurde, entsprechend der NS-Ideologie rassistisch zu "erklären". Die RHF, ihr Leiter Robert Ritter und seine Stellvertreterin Eva Justin schufen damit die Grundlage für die Verfolgung, Ermordung und Zwangssterilisation von Sinti:zze und Rom:nja. Otto Rosenberg berichtet in seinen Memoiren, dass Ritter und Justin auch das Zwangsarbeitslager Marzahn besuchten. Unter dem Einsatz von Zwang und Gewalt führten sie dort Untersuchungen und Verhöre der Bewohner:innen durch, die zutiefst in deren Privat- und Intimsphären eingriffen.
Als Kind in Zwangsarbeit
Im Alter von dreizehn Jahren musste Otto Rosenberg die Schule im Lager verlassen und in der Rüstungsfabrik Danneberg & Quandt (DAQUA) Zwangsarbeit leisten. Die rassistische Hierarchie der NS-Ideologie wirkte sich stark auf den Arbeitsalltag aus: Otto Rosenberg wurde schlechter bezahlt als seine Kollegen und schließlich von der Gemeinschaftsverpflegung ausgeschlossen.
Deportation nach Auschwitz und Buchenwald
Als er wegen angeblicher Sabotage von seinen Arbeitskollegen denunziert wurde, verhaftete ihn die Polizei. Otto Rosenberg musste vier Monate in Einzelhaft im Gefängnis Moabit verbringen. Kurz vor seinem fünfzehnten Geburtstag wurde er im April 1943 in das KZ Auschwitz-Birkenau deportiert. Dort litt er unter Kälte, Hunger und Krankheit. Otto Rosenberg beteiligte sich am 16. Mai 1944 am kollektiven Widerstand gegen den geplanten Mord an allen in Birkenau inhaftierten Sinti:zze und Rom:nja.
Im August 1944 wurde Otto Rosenberg in das KZ Buchenwald transportiert, wo er in einem Steinbruch arbeiten musste. Über das Lager Mittelbau-Dora kam er dann in das Außenlager Ellrich-Juliushütte. Hier setzte die SS Häftlinge beim unterirdischen Stollenausbau im Kohnstein für die Produktion der von der NS-Propaganda als "Wunderwaffe" bezeichneten V2 ein. Das Lager wurde Anfang April 1945 geräumt.
Überleben
Der letzte Transport in das Konzentrationslager Bergen-Belsen war von Hunger, Krankheit und Orientierungslosigkeit des Gefangenen geprägt. Im April 1945 befreite die britische Armee Bergen-Belsen. Otto Rosenberg war der einzige Überlebende von elf Geschwistern. Nach einem mehrwöchigen Aufenthalt in einem Krankenhaus in Celle machte er sich auf den Weg nach Berlin.
Der lange Kampf um Anerkennung
Otto Rosenberg musste bis vor das Berliner Landgericht ziehen, um eine Entschädigungs- und Wiedergutmachungszahlung zu erhalten. In der Nachkriegszeit – als Sinti:zze und Rom:nja in Deutschland weiterhin diskriminiert und stigmatisiert wurden – blieb ihm auch die gesellschaftliche Anerkennung lange versagt.
Nach seiner Heirat im Jahr 1953 bekamen Otto Rosenberg und seine Frau sieben Kinder. Er arbeitete als Musiker und Antiquitätenhändler. Seit den 1980er Jahren war Otto Rosenberg politisch aktiv und kämpfte für die gesellschaftliche Gleichstellung von Sinti:zze und Rom:nja. Er war Mitbegründer und langjähriger Vorsitzender des Landesverbandes Deutscher Sinti und Roma Berlin-Brandenburg. Otto Rosenberg verstarb am 4. Juli 2001 an den Spätfolgen seiner Haft in den Konzentrationslagern.