Klaas Touber (1922 – 2011)

Klaas Touber wurde am 27. Juni 1922 in Amsterdam geboren. Vor dem Krieg arbeitete er als Maschinenschlosser im Amsterdamer Stadtteil Jordaan. 1943 kontaktierte ihn das örtliche Arbeitsamt. Mit erpresserischen Maßnahmen wurde versucht, Klaas Touber als Arbeitskraft für die deutsche Rüstungsindustrie zu rekrutieren: Der zuständige Beamte machte deutlich, dass seine Eltern in Gefahr wären, wenn er sich weigern sollte, in Deutschland zu arbeiten. Angesichts dessen entschied Klaas Touber sich noch im selben Jahr, nach Deutschland zu gehen.

Klaas Touber kam als ziviler Zwangsarbeiter zum Bremer Vulkan, einer ehemaligen Werft im Bremer Stadtteil Vegesack. Ab den 1940er Jahren wurde dort der zivile Schiffsbau komplett eingestellt und die Werft produzierte nur noch für militärische Zwecke. Zweieinhalb Jahre musste Klaas dort in verschiedenen Bereichen am U-Boot-Bau mitarbeiten.

Als ziviler Zwangsarbeiter aus Westeuropa besaß Klaas Touber im Gegensatz zu Osteuropäer:innen eine Reihe von Privilegien. Unter anderem konnte er sich freier im Unternehmen und im Stadtteil bewegen. Dies führte dazu, dass er auch einen Einblick in die Lebensbedingungen der Osteuropäer:innen bekam. Mit scharfem Blick beschrieb er in seiner Erinnerung deren systematische Unterdrückung.

"Jedweder Freiheit beraubt durften sie ihr Lager noch nicht einmal nach Arbeitsende verlassen. Auch ihre Verpflegung war schlechter als die der anderen ausländischen Zwangsarbeiter. ‚Einfache ehrbare Deutsche‘ nutzten den Hunger unter den Ostarbeitern aus, indem sie gegen ein Stück Brot ihre Gelüste an polnischen und russischen Mädchen auskosteten."
– Klaas Toubers Erinnerung S. 162, interne Übersetzung vom Denkort

Doch auch den westeuropäischen Zwangsarbeiter:innen drohten stets willkürliche Strafen, Gewalt oder die Einweisung in ein Straflager. In Bremen-Farge wurde auf Druck einiger örtlicher Wirtschaftsunternehmen im Jahr 1940 eines der ersten "Arbeitserziehungslager" (AEL) eingerichtet. Nachdem sich in der Kantine des Bremer Vulkan ein deutscher Arbeiter bei der Essensausgabe vorgedrängt hatte, entbrannte eine Schlägerei. Deutsche Arbeiter prügelten dabei schwer auf Klaas Touber ein und entstellten sein Gesicht. Der Vorfall führte jedoch dazu, dass die örtliche Gestapo sich einschaltete, um den Niederländer zu bestrafen. Klaas Touber wurde ins "Arbeitserziehungslager-Farge" gebracht.

In Farge begann für ihn die wohl schwerste Zeit als Zwangsarbeiter im NS-System. Körperliche Misshandlungen, Hunger und harte Arbeit gehörten dort zum Alltag. Nach vier Monaten im "AEL-Farge" wurde Klaas Touber entlassen und musste bis kurz vor Kriegsende beim Bremer-Vulkan weiterarbeiten.

Nach dem Krieg dachte Klaas zunächst, eigentlich gut durch die Jahre in Deutschland gekommen zu sein. Die Berichte über Auschwitz und weitere Vernichtungslager ließen ihn an seinem Leid zweifeln. Andere Menschen hätte es weitaus schlimmer getroffen. Er arbeitete zunächst als Zeitungsvertreter, heiratete und bekam zwei Kinder. Mit den Jahren machten sich in seinem Leben aber immer mehr Probleme bemerkbar. Er hatte Albträume, war unruhig, fühlte sich gehetzt. Mit 57 Jahren wurde er "nervenkrank" in Frührente geschickt. Die Folgen der Zwangsarbeit traten immer stärker in den Vordergrund.

1983 reiste Klaas, auf Anregung seiner Frau, das erste Mal nach Deutschland zurück. Dort kam er durch Zufall in Kontakt mit einer Gruppe "Zivilkriegsopfer". Dieser Status erlaubt es Zivilpersonen in den Niederlanden, die von Gewalt während des Krieges betroffen waren, finanzielle Unterstützung zu erhalten. Klaas Touber half der Kontakt, zu realisieren, dass auch er ein "Zivilkriegsopfer" war. Es folgte ein dreijähriger Kampf mit Behörden um eine offizielle Anerkennung.

Nachdem er diese erreicht hatte, verfolgte er im Sommer 1988 auch eine Anerkennung seitens des Bremer Vulkan. In einem Brief schilderte er die Folgen seiner Zwangsarbeit und forderte eine Summe von 100 DM pro Monat für die Zeit, in der er als Zwangsarbeiter bei der Werft eingesetzt war.

Am 7. September 1988 erhielt der von der Werft einen Brief, in dem Folgendes stand:

"Für uns ist es schwer, in die Geschehnisse der damaligen Zeit, die inzwischen 45 Jahre zurückliegt, Einblick zu gewinnen. Unterlagen über die damalige Zeit gibt es so gut wie nicht mehr. Einige Bremer Historiker versuchen allerdings, auch durch Umfragen in der Bevölkerung, die Zeit von damals etwas mehr aufzuhellen." - Brief vom Bremer Vulkan an Klaas Touber 1988

Mit dieser Aussage verlagerten sie nicht nur die Verantwortung für die Aufarbeitung ihrer Geschichte auf andere, sondern verwehrten Klaas jegliche Anerkennung des erlittenen Unrechts. Trotz einer nur schwer zu überwindenden Wut auf die Täter:innengesellschaft, setzte sich Klaas Touber bis zum seinem Tod 2011 für eine lebendige Erinnerung und Versöhnung ein.