Elisabeth Freund (1898-1982)

Elisabeth Freund wurde 1898 in Breslau/Wrocław (heutiges Polen) geboren. Seit ihrem Studium der Volkswirtschaftslehre lebte sie in Berlin. 1922 heiratete sie ihren entfernten Vetter, Rudolf Freund, mit dem sie drei Kinder bekam: Claire, Ursula und Rudolf. In ihrem autobiografischen Buch "Als Zwangsarbeiterin 1941 in Berlin", das 1996 veröffentlicht wurde, beschreibt sie, dass die Freunds aus "alteingesessenen jüdischen Familien" kamen. Sie begriffen sich als jüdisch, in erster Linie jedoch als Deutsche und waren nicht besonders religiös. Elisabeth Freund verdiente ihr Geld mit der Veröffentlichung von Ratgeberliteratur über die Rationalisierung von Hausarbeit. Ihr Mann war Jurist und Vorstandsmitglied einer größeren Firma der Eisenindustrie.

Ab 1933 wurden Juden:Jüdinnen in Deutschland systematisch entrechtet, enteignet und aus dem öffentlichen Leben verdrängt. Indem sie so ein normales Leben für Juden:Jüdinnen in Deutschland unmöglich machten, wollten die NationalsozialistInnen sie zur Auswanderung zwingen. In den Nürnberger Gesetzen legten sie 1935 fest, dass allein die Verwandtschaftsverhältnisse darüber entscheiden sollten, wer als Jude oder Jüdin galt – ob sich die Person selbst dem Judentum verbunden fühlte oder nicht, spielte keine Rolle.

Trennung der Familie

Trotz der Einschränkungen blieben die Freunds auch nach 1933 zunächst in Deutschland: Für Rudolf Freund war es als Jurist schwer, Arbeit im Ausland zu finden. Sie gingen außerdem davon aus, dass die nationalsozialistische Herrschaft nicht von langer Dauer sein würde. Elisabeth Freund beschrieb die Jahre bis 1938 als "natürlich nicht immer erfreulich, aber doch erträglich". Erst nach den Novemberpogromen am 9. November 1938 entschloss sich das Ehepaar, schnellstmöglich auszuwandern. Dies war jedoch nicht ohne Weiteres möglich: Die meisten Staaten nahmen nur eine begrenzte Zahl an jüdischen Flüchtlingen auf. Ein Visum zur Einreise zu bekommen war deswegen für Juden:Jüdinnen aus Deutschland fast unmöglich. England nahm zumindest jüdische Kinder auf. So entschloss sich das Ehepaar Freund wie viele andere deutsch-jüdische Eltern, ihre drei Kinder dorthin zu schicken. Hier konnten sie in einem Internat bzw. bei einer Pastorenfamilie unterkommen.

Elisabeth und Rudolf Freund bemühten sich parallel dazu, in die USA auszuwandern. Da die US-amerikanische Einwanderungspolitik sehr restriktiv war, stellten sie in ihrer Verzweiflung auch Einreiseanträge in anderen Botschaften – unter anderem der kubanischen. Die Amtsgänge und die Besorgung von Unterlagen und Bescheinigungen beschreibt Elisabeth Freund als sehr anstrengend und kräftezehrend.

Als Zwangsarbeiterin in Berliner Betrieben

In dieser Zeit verschlechterte sich das Leben der Freunds enorm. Sie mussten zwangsweise in eine kleine Wohnung in Charlottenburg ziehen. Im April 1941 wurde Elisabeth Freund zum "Geschlossenen Arbeitseinsatz" einberufen. Sie leistete von April bis Juni 1941 in der Großwäscherei Spindlersfeld an der Heißmangel Zwangsarbeit. Durch eine Vorerkrankung setzte ihr diese schwere Arbeit im heißen Wasserdampf sehr zu. Doch ihre Beschwerden wurden ignoriert, so dass sie im Juni 1941 schwer erkrankte. Erst als ihr die Krankenkasse bescheinigte, dass sie nicht in der feuchten Hitze arbeiten könne, wurde Elisabeth Freund in eine andere Firma versetzt. So arbeitete sie ab Juli 1941 bei der Metall- und Elektro-Fabrik Erich & Graetz in Treptow, wo Minensuchgeräte und Sprengzünder hergestellt wurden. Hier bestand ihre Aufgabe darin, kleine Schrauben zu sortieren. In ihrem Buch beschreibt sie, wie schwer und monoton die Zwangsarbeit war. Hinzu kam, dass sie ständig Angst um ihre eigene Zukunft und um ihre Kinder hatte, die weit entfernt von ihr lebten.

Ausreise im letzten Augenblick

Im Jahr 1941 überschlugen sich die Ereignisse: Das Ehepaar Freund erhielt endlich eine Einreiseerlaubnis nach Kuba. Gleichzeitig verschlimmerte sich die Situation der Juden:Jüdinnen in Deutschland: Die Ausreisegesetze waren verschärft worden, Gerüchte über bevorstehende Deportationen mehrten sich. Über einen alten Kollegen, der Kontakte zur Geheimen Staatspolizei (Gestapo) hatte, erhielten die Freunds eine Sondergenehmigung zur Ausreise. Kurz bevor sie nach Paris aufbrachen, erfuhren sie, dass viele Berliner Juden:Jüdinnen zu einer Sammelstelle, der Synagoge in der Levetzowstraße, gebracht wurden, um von dort aus nach Polen deportiert zu werden. Die Freunds konnten am 19. Oktober 1941 Deutschland verlassen, kurz darauf erließ das NS-Regime ein endgültiges Ausreiseverbot für Juden und Jüdinnen.

Von Paris aus reisten sie weiter nach Lissabon, wo sie drei Wochen bleiben mussten, bevor sie mit einem portugiesischen Schiff schließlich nach Kuba kamen. Von dort aus gelang es ihnen aufgrund bürokratischer Hürden erst 1944, weiter in die USA auszuwandern.

In den USA arbeitete Elisabeth Freund als Photo-Negativ-Retoucherin in Philadelphia, ihr Mann fand eine Anstellung als Buchhalter. 1946 konnten die Kinder aus England nachziehen und die Familie war nach acht langen Jahren wieder vereint. Nachdem ihr Mann 1959 in hohem Alter verstorben war, erschloss sich Elisabeth Freund mit einundsechzig Jahren noch einmal ein neues Berufsfeld. Sie erarbeitete innovative Lernkonzepte für blinde Menschen und eröffnete ein "Touch-and-Learn-Center" an der Blindenschule in Philadelphia. Ihre Ideen wurden in der Blindenpädagogik weit verbreitet. Am 4. November 1982 starb Elisabeth Freund in New York.