Der Leipziger Rüstungskonzern Hugo-Schneider- Aktiengesellschaft (HASAG)

Die HASAG wurde 1863 im Leipziger Osten gegründet und war auf die Produktion von Petroleumlampen und -brennern spezialisiert. Das Unternehmen wuchs stetig und erwarb bereits Ende des 19. Jahrhunderts ein großes Grundstück im Nordosten von Leipzig, um dort einen modernen Produktionsstandort aufzubauen. Bereits während des Ersten Weltkriegs stellte die HASAG teilweise auf Rüstungsproduktion um und produzierte unter anderem Infanteriemunition für das deutsche Heer.

Umstrukturierung der Firma nach nationalsozialistischen Vorstellungen

Mit der Machtübertragung an die Nationalsozialisten erfolgte ab 1933 die ideologische und wirtschaftliche Umgestaltung der HASAG. Der Aufsichtsrat des Unternehmens wurde "arisiert": Alle Juden mussten ihn verlassen. Um weiterhin gute Geschäfte zu machen, galt es enge Beziehungen zu den neuen Machthabern aufzubauen. Mit Paul Budin wurde 1935 ein überzeugter Nationalsozialist Generaldirektor der HASAG, unter seiner Leitung entwickelte sich die Produktion von Rüstungsgütern zum Kerngeschäft des Unternehmens. Neben Munition, Granaten und Minen konstruierte und produzierte es vor allem Panzerfäuste.

Größter Rüstungsbetrieb Sachsens während des Zweiten Weltkriegs

Neben dem Firmenhauptsitz in Leipzig unterhielt die HASAG mehrere Zweigstellen im Deutschen Reich. 1939 übernahm sie zudem mehrere ehemalige polnische Rüstungsbetriebe zunächst in kommissarischer Verwaltung für die Wehrmacht. 1943 erwarb sie die Betriebe schließlich zu günstigen Bedingungen. Allein im Jahr 1944 produzierte die HASAG weit mehr als fünf Millionen Panzerfäuste. Diese Dimensionen waren nur durch den Einsatz und die Ausbeutung Zehntausender Zwangsarbeiter:innen zu erreichen.  

Die systematische Ausbeutung von Zwangsarbeiter:innen

Schon früh setzte die HASAG auf den massenweisen Einsatz ausländischer Zwangsarbeiter:innen. Mit Kriegsbeginn 1939 wurden zivile Zwangsarbeiter:innen und Kriegsgefangene für die Produktion zwangsrekrutiert. Ihre Unterbringung erfolgte in HASAG-eigenen Barackenlagern in unmittelbarer Nähe des Betriebsgeländes.

Im Leipziger Hauptwerk mussten zwischen 1940 und 1945 mindestens 10 000 zivile Zwangsarbeiter:innen, Kriegsgefangene und KZ-Gefangene aus 20 verschiedenen Nationen Zwangsarbeit leisten. Nördlich des Betriebsgeländes entstand im Juni 1944 zudem das KZ-Außenlager "HASAG Leipzig", ein Außenlager des Konzentrationslagers Buchenwald, in dem über 5 000 weibliche KZ-Gefangene interniert waren. Im Laufe des Jahres 1944 errichtete die HASAG an sechs weiteren Produktionsstandorten KZ-Außenlager.

Zwangsarbeit für die HASAG im besetzten Polen

Bereits ab 1942 betrieb das Unternehmen an mehreren Produktionsstandorten im besetzten Polen im Distrikt Radom firmeneigene Zwangsarbeitslager für jüdische Frauen, Männer und Kinder, die sie direkt aus den von den deutschen Besatzern errichteten Ghettos zwangsrekrutierte. Die mehr als 20 000 Juden:Jüdinnen wurden in der Rüstungsproduktion eingesetzt, wo sie ohne jegliche Schutzvorkehrungen mit giftigen Chemikalien hantieren mussten. Tausende starben in diesen Lagern an den katastrophalen Bedingungen oder wurden ermordet.

Auch an den anderen Standorten der HASAG wurden die Zwangsarbeiter:innen zu körperlich schwerster und gesundheitsschädigender Arbeit in der Produktion von Granaten, Munition, Minen und Panzerfäusten in zwölfstündigen Tages- und Nachtschichten an sechs Tagen pro Woche eingesetzt. Der Großteil von ihnen litt an mangelnder Ernährung, unzureichender medizinischer Versorgung und durch die Gewalt durch deutsche Vorgesetzte. Insgesamt waren in den HASAG-Munitionswerken im Deutschen Reich und im besetzten Polen ungefähr 45 000 Männer, Frauen und Kinder zu Zwangsarbeit eingesetzt. Wie kaum ein anderer privatwirtschaftlich betriebener Konzern profitierte der Konzern durch den Einsatz von insbesondere Zehntausenden Juden:Jüdinnen und KZ-Gefangenen.

Kriegsende und Enteignung

In Leipzig produzierte die HASAG bis kurz vor Kriegsende. Am 18. April 1945 erreichten die Alliierten Leipzig und befreiten Tausende Zwangsarbeiter:innen aus den Lagern. Nach Kriegsende wurden im Leipziger Werk zeitweise Haushaltsgüter produziert, zeitgleich wurde mit der Demontage des Betriebsgeländes begonnen. Nachdem die HASAG bereits 1946 enteignet worden war, wurde sie im Sommer 1948 schließlich aus dem Handelsregister gelöscht.

Nach dem Krieg wurden nur wenige der für den Zwangsarbeitseinsatz bei der HASAG Verantwortlichen juristisch belangt. Auch der Verbleib des ehemaligen Generaldirektors, Paul Budin, konnte bis heute nicht eindeutig geklärt werden. Von den ehemaligen Produktionsstätten und den Zwangsarbeitslagern der HASAG in Leipzig ist heute kaum noch etwas erhalten.

Seit 2001 erinnert am ehemaligen Standort der Firma eine Gedenkstätte an die Geschichte und das Schicksal der ehemaligen Zwangsarbeiter:innen.